20. April 2024, 7:42 Uhr

Polizeipräsident Jakob suspendiert Polizisten wegen Kleidung

Subtitel

Am 9. Oktober gab der Polizeipräsident Köln, Uwe Jakob, die Meldung heraus, dass man „wieder einen Rechten in den eigenen Reihen enttarnt“ und umgehend aus der Öffentlichkeit entfernt habe. Die Findigkeit erinnert inzwischen schon an Erdogans Säuberungen gegen vermeintliche „Putschisten“ in der Türkei. Diesmal war ein Hemd Stein des Anstosses.

Doch der Reihe nach: Am 8. Oktober hatte auf dem Bahnhofsvorplatz eine Veranstaltung zum Gedenken der Opfer des rechtsradikalen Anschlagsversuchs von Halle stattgefunden. Einer der Redner war der Vorsitzende der Synagogengemeinde, Abraham Lehrer.
Es ist aus der Pressemeldung nicht klar zu entnehmen, warum ein Personenschützer der Kölner Polizei dabei war, eigentlich sollte so eine Persönlichkeit doch eigene Bodyguards haben.
Einer (?) dieser Personenschützer durfte am nächsten Tag dann urplötzlich Innendienst verrichten, denn schon am nächsten Morgen um 6:30 Uhr ging ein „Hinweis“ ein, der sich an einem Kleidungsstück des Personenschützers echauffierte. Der 54jährige Beamte hatte nach Ansicht des Hinweisgebers am Vortag eine Marke getragen, die andere für „typisch rechts“ hielten. Aus der Meldung war nicht zu entnehmen, um welche „Marke“ es sich handelte, aber es muss – von der Reaktion ausgehend – der Untergang der Demokratie gewesen sein, ein Attentat auf dei freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Erstaunlich schnell – für die Stadt mit dem bundesweiten Leuchtturmprojekt „Silvester 2015/16“ und der Marke „Eine Armlänge Abstand“- reagierte der Polizeipräsident Jakob

Ich habe kein Verständnis für ein derartiges Verhalten. Deshalb habe ich den Beamten unmittelbar von seinen Aufgaben entbunden. Er wird künftig einer anderen Tätigkeit nachgehen. Darüber hinaus habe ich mich heute in einem Telefonat in aller Form bei Herrn Lehrer entschuldigt.

Ich habe auch kein Verständnis für ein solches Verhalten – solange es in objektiver Form justiziabel ist. Lediglich gefühltes Unrecht hat im Zeitalter der emotionalen Überreaktionen keinen Platz, denn es gibt Gesetze und was dort nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt.
Während bei 20jährigen Rennfahrern mit Migrationshintergrund in 100.000-Euro Mercedes in der Innenstadt aber von „Unschuldsvermutung“ gesprochen wird, geht Jakob hier gegen seinen eigenen Beamten gnadenlos vor und stellt ein „derartiges Verhalten“ schon fest, ohne weitere Fragen zu klären. Damit gießt er Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Rechtsstaat aushöhlen.

Die Frage bleibt, ob der Herr Lehrer das überhaupt mitbekommen hatte oder gar von der Entschuldigung genauso überrascht war wie von der zugrundelegenden Denunziation. Nun ist man in so einem Amt wahrscheinlich einiges gewohnt und nimmt solche Entschuldigungen „aus dem Blauen heraus“ womöglich stillschweigend einfach an. Da der „Hinweis“ erst am sehr frühen Morgen des Folgetags einging, wird Lehrer sich nicht selbst drüber geärgert und unmittelbar persönlich beschwert haben.

Aber Jakob holt – ganz in der eigenen neuen Umkehr der Schuldvermutung – noch weiter aus:

Ich werde nicht akzeptieren, dass meine Beschäftigten durch ihr Auftreten oder Verhalten Zweifel an der Verfassungstreue der Polizei Köln aufkommen lassen. Den Staatsschutz der Polizei Köln habe ich mit der lückenlosen Aufklärung des Sachverhalts beauftragt.

Markige Sprüche in der Stadt, die sicher kriminellere Probleme hat, als das Leibchen eines Polizeibeamten. Wegschauen, wenn auf öffentlichen Plätzen in der Stadt schamlos Drogen gehandelt, die Ringe zur No-Go-Area werden, „Motorradclubs“ als Handlanger großer Clans eine Shishabar nach der anderen aufmachen, immer noch Rennen von 20jährigen mit 500PS-Mercedes stattfinden, aber „Null Toleranz“ bei einem Hemd: Gleich mal in die Presse und das Leben eines Beamten vernichten. Die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung „in dubio pro reo“ – übrigens im Rahmen der Hexenprozesse um 1630 herum formuliert – interessiert den Polizisten Jakob dabei nicht. Er müsste sich also selbst „mit anderen Aufgaben“ betrauen, bis seine eigene Einstellung zum Rechtsstaat überprüft wurde.

Demut nach dem Urteil ?

Immerhin geht er nicht so weit wie sein Vorgesetzter, der SoWi-Pädagoge und  Innenminister Herbert Reul, der „seine“ Polizisten schon öffentlich so vorverurteilt, daß die eigentlich kein faires Verfahren mehr zu erwarten haben. Es kam dann auch ein paar Tage nach Reul’s Poltern in der „Aktuellen Stunde“ und „heute“ später auch zur Frage, inwiefern rechte Sprüche in privaten Chats überhaupt strafbar seien. Dass es sich dabeim um viele jahre alte Chats handelte, meldete niemand. Und moralisch ohne Frage verwerflich, aber eben wahrscheinlich nicht strafbar: ein Polizist dürfe in seiner Privatsphäre auch Nazi-Devotionalien sammeln, solange seine Amtsführung keinen Anlass zur Rüge gäbe.  Zu spät, die blutgierige Meute hatte sich mit ihren Mistgabeln schon wieder zerstreut und bildete sich wahrscheinlich in der Modewelt fort. Und so kam es gestern auch zur ersten Ohrfeige für Reul: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf urteilte im Fall einer von Reul vorveruteilten Polizistin, daß die Suspendierung umgehend aufzuheben sei, da sie rechtswidrig erlassen wurde. Nachvollziehbare Straftaten seien nicht begangen worden – und erst jetzt erwähnt Reul: „In allen Verfahren gilt die Unschuldsvermutung“ – dazu brauchte der Innenminister aber erst ein mit Pauken und Trompeten verlorenes Gerichtsverfahren.

Insgesamt bezeuchnete das Gericht das Eilverfahren von Reuls Hexenjagd sinngemäß als beschämend, sowohl inhaltlich als auch formell:

Der konkrete Einzelfall sei in dem Bescheid nicht in den Blick genommen worden. Das angebliche Fehlverhalten werde nicht konkret beschrieben. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass der Versand der Datei bereits vor sieben Jahren erfolgt sei.

Quelle: n-tv vom 22.10.20

Man hat also, wie in Kafka’s „Der Prozess“, eine Beamtin vor Gericht gezerrt, ohne konkret zu sagen, warum. Erst dort kam dabei heraus, daß es sich um eine sieben Jahre alte Datei handelte. Zur Erinnerung: 2013 gab es noch Nokia-Smartphones und Apple war beim iPhone 5.

Wissen Sie noch, was Sie vor sieben Jahren geschrieben haben oder auch nur empfangen haben? Ja, damit kann man inzwischen ihre Wohnung „auf links“ drehen, aufräumen muss die Polizei nicht und was die Kollegen da so in ihrer Nachttischschublade finden, mag noch jahrelang Gespächsstoff sein.  Hatte man etwa bei so einer Wohnungsdurchsuchung – ohne hinreichenden Verdacht, denn es gab ja gar keine Straftat – ein altes Handy gefunden?
Oder hatte man etwa den „Vorwurf“ solange – sagen wir: „archiviert“ –  bis man ihn brauchte?

Wer die rechthaberische Verwaltung kennt, der kann davon ausgehen, daß die Beamtin trotzdem nicht vollständig rehabilitiert werden wird: „Irgendwas bleibt immer hängen“. Leider eben auch am Bild der Polizei in der Öffentlichkeit – das Urteil wurde im Gegensatz zu Reuls Vorverurteilung in ARD, ZDF und WDR nicht besonders berichtet, es wäre aber auch zu peinlich.

Der wackere Jakob macht weiter

„Meine Personalverwaltung prüft etwaige disziplinarrechtliche Verstöße“ so PP Jakob.

Jakob hat sogar eine „eigene“ Personalverwaltung zur Aufklärung solcher Vorgänge? Wahrscheinlich bringt man die mit, wenn man vom Leiter des LKA zum Polizeipräsidenten einer der kriminellsten Städte Deutschlands absteigt.
Nicht auszudenken, was wäre, wenn man dabei auf eine nur dem Recht verpflichtete Abteilung einer Behörde angewiesen wäre, die an der Amtsführung des Beamten womöglich gar nichts zu kritisieren hätte. Damti wäre das Vorpreschen des wackeren Herrn Jakob ja ins Lächerliche gezogen, die Autorität nachhaltig beschädigt. Das geht nicht: die Täter hat man, die Tat wird sich finden.

Aber um die Amtsführung des Personenschützers ging es nun auch gar nicht. Jakob bemüht sich zwar auch, hier gegen einen eher wehrlosen – weil vom Grafen abhängigen – Beamten schon ohne das rechtsstaatliche Recht auf Unschuldsvermutung  die „volle Härte“ zu zeigen, lässt sich aber ein Türchen offen, schließlich könnte der Beamte gar keine Ahnung gehabt haben, was er da trug. Einen Vorsatz nachzuweisen dürfte jedenfalls der Dreh- und Angelpunkt sein. Vielleicht hat man es ihm geschenkt und er hatte keine Ahnung – am Ende könnte die Entschuldigung von Jakob stehen, aber das ist unwahrscheinlich, ein Fürst entschuldigt sich nicht.
Eher wird man von Instanz zu Instanz verlieren und zermürben. Man hat sehr viel Zeit im Polizeipräsidium – schließlich macht sich der Spitzenplatz in der Kriminalstatistik von alleine, die Hausjuristen sitzen eh rum und Verjährungsfristen sind was für Gerichte.

Bemerkenswert ist dabei der Volksmund mit seinem „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht„. Das war (auch) ein GeStaPo-Spruch, wenn sie ihre Opfer verhörte, die keine Ahnung hatten, was ihnen vorgeworfen wurde. Denn immerhin schützt Unwissenheit heute ohne Zweifel vor Strafe: der Paragraph 16 des Strafgesetzbuches befreit Unwissende von der Schuld – und damit auch vor Strafe. Das ist einer der Grundsätze des Rechtsstaates und galt auch schon vor sieben Jahren, als man irgendwas bei WhatsApp textete.

P.S. Angeblich haben die Textilbeauftragten der Empörungsindustrie schon ein neues Tätigkeitsfeld erschlossen: In einer Duisburger Therme soll die Shariapolizei  sollen Bademeister zukünftig mit Rücksicht auf „kulturelle Zusammenhänge“ Träger*innen knapper Bikinis umgehend des Bades verweisen. Ob Bikini tragende Männer oder „diverse“ Menschen nach dem Auftreten in „unzüchtiger“ Kleidung ihr Eintrittsgeld zurück erhalten, war der Meldung des Revolutionären Religionsrates der WAZ nicht zu entnehmen, aber wir freuen uns schon auf die Pfiffe des Sittenwächters vom Beckenrand zur Verbesserung des kulturellen Klimas (mj)

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Die Stadt Köln besitzt eine Waldgrabstätte im Königsforst, der zum Stadtgebiet von Bergisch-Gladbach gehört. Der Unternehmer Hubert Josef Hausmann vermachte dieses Grundstück, auf dem er und seine beiden Hunde begraben sind, nebst viel Geld und Immobilien der Stadt, die dafür die Grabpflege übernahm.